Alteigentümer sehen sich benachteiligt

Bundesverfassungsgericht prüft Beschwerden zum Entschädigungsrecht

Karlsruhe
In der Sowjetischen Besatzungszone wurden zwischen 1945 und 1949 etwa 750 000 Immobilien im Zuge der Bodenreform enteignet, darunter 1,2 Millionen Hektar Land und 700 000 Hektar Wald. Die Entschädigungen, die die Alteigentümer dafür beanspruchen können, sind - mit Blick auf den heutigen Wert der Immobilien nur gering. Seit der Wiedervereinigung versuchen sie daher auf dem Rechtsweg, ihren einstigen Besitz zurück zu bekommen. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1991 und 1996 festgestellt, dass eine Rückgabe der konfeszierten Vermögenswerte ausgeschlossen ist. Verwiesen wurde unter anderem auf eine Forderung des damaligen UdSSR-Staatschefs Gorbatschow, der bei den Zwei-plus-vier-Verhandlungen die Wiedervereinigung an die Bedingung geknüpft haben soll, dass die Bodenreform in Mitteldeutschland unangetastet bleibe. Gorbatschow hatte dies in späteren Jahren dementiert.
Gestern nun verhandelte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts über fünf von 40 Beschwerden von Alteigentümern, die das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 für verfassungswidrig halten. Angegriffen wird insbesondere, dass nur für Enteignungen aus DDR-Zeit von 1949 bis 1989 der Grundsatz Rückgabe vor Entschädigung gilt, während dem zwischen 1945 und 1949 enteigneten Mittelstand nur eine magere Entschädigung bleibt. Bemessungsgrundlage dafür ist nicht der heutige Verkehrswert der Immobilien, sondern der vor der Enteignung festgestellte Einheitswert, der mit einem im Gesetz festgelegten Faktor multipliziert wird. Liegt der so ermittelte Betrag über 10 000 Mark, dann sieht das Gesetz noch prozentuale Abzüge vor. Nach Auskunft des Potsdamer Rechtsanwalts Thorsten Purps erhalten die Betroffenen letztlich nur etwa 11 bis 14 Prozent des heutigen Verkehrswertes ihrer Immobilie als Entschädigung. Hinzu kommt, dass die Entschädigungsansprüche in Form von Schuldverschreibungen erst vom Jahr 2004 an in fünf Jahresraten getilgt werden. Angefochten wird auch das im Ausgleichsleistungsgesetz vorgesehene Flächenerwerbsprogramm. Es räumt zu allererst ortsansässigen Landwirten die Möglichkeit ein, land- und forstwirtschaftliche Flächen zu Vorzugskonditionen zu kaufen. Erst an zweiter Stelle sind Alteigentümer dazu berechtigt.
Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) verteidigte die geringe Entschädigungshöhe. Der Bundeshaushalt sei mit 1,5 Billiarden Mark Schulden bis aufs Äußerste belastet.


Das Urteil wird in drei Monaten erwartet.

von Gabi Leopold